Orstparteitag - Antrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit an Hochschulen
Mit dem ersten Lockdown im Jahr 2020 änderte sich einiges – auch die Situation der Hochschullehre in Deutschland. Digitale Lehrveranstaltungen wurden zur Normalität. Viele Universitäten setzen mittlerweile zumindest partiell auf ein hybrides Lehrangebot – vor allem durch das Aufzeichnen und Streamen von Präsenzvorlesungen. Das IOB der RWTH Aachen beispielsweise bezeichnete ihr Angebot, alle Lehrveranstaltungen des vorangegangenen Semesters hybrid angeboten zu haben, als „vollen Erfolg“. Auch Studierende und Lehrende der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Wien konnten feststellen, dass eine Auswahlmöglichkeit zwischen reiner Präsenzlehre und hybriden Vorlesungen der aktiven Mitarbeit keinen Abbruch tut. Die Universität zu Köln stellt in ihrer Konzeptvorstellung außerdem die Chancen dieser Entwicklung dar und schreibt darin beispielsweise: “Ich kann von einer Forschungsreise aus eine Lehrveranstaltung abhalten und Studierenden meine Forschung zeigen während sie entsteht!”
Mit der Rückkehr zur Präsenzlehre im Sommersemester 2022 normalisierte sich jedoch nicht nur die Lebenssituation der Studierenden, auch die Einstellung zu den gemachten Fortschritten bei der Digitalisierung der Lehre begann durch den entfallenden Anpassungsdruck teilweise zum Status quo der Zeit vor der Pandemie zurückzukehren.
Ob eine Vorlesung in einem hybriden Format angeboten wird, hängt zum einen natürlich von der technischen Ausstattung der Universität ab. Dort wurden, jedenfalls seit 2020, große Fortschritte gemacht, allerdings ist selbstverständlich noch nicht flächendeckend die nötige Ausstattung vorhanden um die Umsetzung digitaler Formate zu gewährleisten. Zum anderen ist die Bereitstellung des Angebots stark von den jeweiligen Dozenten abhängig. Einheitliche Regelungen bezüglich des Angebots an hybriden Lehrformaten fehlen. Dadurch ändert sich die Verfügbarkeit der Angebote mit jedem neuen Semesterbeginn. Planungssicherheit und transparente Entscheidungsprozesse gibt es nicht.
Wir Freien Demokraten stehen, neben Eigenverantwortung, auch für Chancengerechtigkeit und für „weltbeste Bildung für alle“. Eine flächendeckende und sichere Fortführung hybrider Lehrangebote durch Streaming und/oder Aufzeichnungen der Vorlesungen ermöglicht den Abbau verschiedener Barrieren für Studierende an Hochschulen und bietet die Chance, sich auf diesem Weg der Chancengerechtigkeit im Bildungssystem zu nähern.
- Die entstehende Flexibilisierung und individueller zu gestaltende Zeitplanung erleichtern es – insbesondere auch finanziell schwächer gestellten Studierenden, die auf einen Nebenjob angewiesen sind – ihre Erwerbstätigkeit und ihr Studium miteinander zu vereinbaren.
- Finanzielle Belastungen, die mit einem täglichen Pendeln oder einer Wohnung vor Ort – insbesondere bei der aktuellen Situation am Wohnungsmarkt – einhergehen, könnten für einige entfallen.
- Die Wahlmöglichkeit zwischen Präsenz- und digitalem Format stellt auch für Studierende mit chronischen Erkrankungen eine deutliche Entlastung dar, indem sie an den Vorlesungen von zuhause aus teilnehmen können, statt sie zu verpassen, wenn die gesundheitliche Situation es erfordert. Einige berichten auch, dass sie so die Möglichkeit haben, sich deutlich besser zu konzentrieren und den Vorlesungen zu folgen.
- Von der Flexibilisierung des Studiums profitieren auch junge Eltern und insbesondere Mütter, die sich noch im Studium befinden und in einem reinen Präsenzsemester teilweise nicht in dem gleichen Umfang studieren könnten, wie mit der Wahlmöglichkeit von hybriden Vorlesungsformaten.
Aus diesen Gründen fordern wir:
- Eine Ausstattung für Hochschulen, die den umfassenden Einsatz hybrider Lehrformate ermöglicht, zu gewährleisten.
- Der Einsatz hybrider Lehrformate, sofern umsetzbar und nicht offenkundig didaktisch ungeeignet, als Regelfall an deutschen Hochschulen anzustreben.